Ich überwinde mich, rauszugehen. Der Himmel ist dunkel und klar genug, um einige Sterne zu zeigen. An der Hauptstraße gesellt sich der Mond dazu. Der idiotensichere Anhaltspunkt der ganzen Unternehmung erscheint ein wenig diesig. Völlig unklar, ob ich Erfolg haben werde. In der Absicht, die beiden Gestirne aus einem Blickwinkel zu bestaunen, der den Eindruck vermitteln kann, sie berührten einander, steige ich unerschrocken den vom Mondlicht erhellten Weg hinan. 

Auf dem Plateau haben sich weniger Sterngucker versammelt als erwartet. Die ersten beiden, die ich frage, ob sie was sehen, verneinen. Sie schauen auch in die falsche Richtung, wie ich schnell begreife, indem ich einem über die Schulter schaue, der die Konjunktion mithilfe einer App aufzuspüren sucht, um sie seiner Freundin zu zeigen. Die Aussichten sind schlecht. 

Ein Stück vom Pulk entfernt sehe ich einen neben seinem Stativ stehen, den ich im Vorübergehen frage, ob man was sehen kann. Schon vorbei, sagt er, sind schon untergegangen. Der zahnlose Alte ist kaum zu verstehen. Hier bin ich auf jeden Fall richtig. 

Wir stehen etwas unschlüssig zusammen. Ob ich mal durchschauen will, bedeutet er mir mit einer Kopfbewegung. Mit einem Auge sehe ich den halben Mond so nah wie nie zuvor. Mir ist, als könnte ich mit der Fingerspitze über den runden Körper fahren und auf der kreidigen Haut eine Spur hinterlassen. Mondbuchstaben schreiben.

Ein Vater kommt mit seiner Tochter vorbei. Auch sie folgen der Einladung, den Mond mit einem Auge zu betrachten. Auf dem Display seines Smartphones zeigt der zahnlose Alte ein Bild herum, das die beiden Gestirne nah beisammen zeigt. Wie zwei Augen. Eines heller als das andere. Aufgenommen um 17 Uhr. Mit dem Smartphone durchs Objektiv, gute Idee, nickt anerkennend der samt Kamera und Stativ neu hinzugekommene Sterngucker. 

Wenn die Sonne verschwindet, ändert sich die Atmosphäre, sagt er. Schleierwolken ziehen auf. Mars ist noch gut zu sehen. Mars? Das da ist Mars? Das rötlich scheinende Gestirn war die ganze Zeit über mit bloßem Auge zu erkennen. Ich kann zusehen, wie der Mond langsam von ihm abrückt.

Wenn mich jemand nach meinem Beruf fragt, sage ich privat.

— Ilse Aichinger

Es braucht einen Raum, in dem viel schiefgehen kann. Der ist aber eher kein Empfangszimmer.

Während ich am Küchentisch sitze und warte, dass sich die Seite aktualisiert, bemerke ich die Birne, die ich vorhin in meiner Jackentasche heimgetragen habe, damit die empfindliche Frucht keinen Schaden nimmt auf dem kurzen Weg vom Geschäft in meine Küche. Ohne groß darüber nachzudenken hatte ich sie auf der metallenen Arbeitsfläche abgelegt und so ein zufälliges Stillleben erzeugt, an dem sich nun mein Blick verfängt. Das muss ich malen, denke ich. 

Es sieht schön aus und macht doch stutzig.

Mit großer Ernsthaftigkeit balanciert der Knabe eine pflaumengroße Seifenblase auf dem waagrecht gehaltenen Pustestab. Seine Angehörigen sind derweil damit beschäftigt, den Reifen eines Fahrrads aufzupumpen.

Die Schöpfung will, dass ich in diesem Augenblick des Weges komme und die Situation erfasse.

An einem unsichtbaren Ort setzt sich jemand an ein Klavier und beginnt zu spielen.

Auf der Parkbank sitzen zwei Mädchen und singen zu den Songs ihres laut gestellten mobile device’s. Dass ich nah genug an ihnen vorbeigehe, um ihnen in die singenden Gesichter schauen zu können, bringt sie augenscheinlich etwas in Verlegenheit, hält sie aber nicht vom Weitersingen ab.

Die Wiedergabe leiser erklingen zu lassen als ihre Stimmen könnte ein nächster Schritt sein.

Für das, was schwer zu sagen ist, Worte zu finden, ist Aufgabe der Schriftstellerin.

Laut spreche ich den Text in die Diktierfunktion. Seitenweise lese ich so diese Handschrift, die mir vertrauter ist als der Mensch, der sie hinterließ: das wird mir klar, während ich diese Mühe auf mich nehme, die manch anderer vielleicht unsinnig erschiene.

Verrückt, eine absolut verrückte Geschichte, die mir, wäre sie frei erfunden, unerträglich wäre.

Nur selten kann ich eine Buchstabenfolge nicht entziffern. Dann hilft mir die Grosse Linse und verursacht dabei jedesmal einen winzigen Schwindel.

The paragraph is the building block.

— Paul Auster

Eine Handvoll…heißt es im Rezept. Ich bemerke wiederholt, wie ich den beherzten Griff ins Vorratsglas gleichsam verlangsame, indem ich meine Hand nicht ganz so viel fassen lasse, wie sie könnte. 

Die Einsicht, dass solches Erleben am ehesten durch Worte mitteilbar gemacht werden kann, scheint mir bedeutsamer, als herauszufinden, was mich zu einem solchen Verhalten veranlasst.

Na endlich!

Krähenbesuch encounter with the wise guys zwischen uns nur der sich im Wind bauschende lichtdurchlässige Vorhang. Ich bewege mich so wenig wie möglich.

Was findet das Vogeltier nur in den sich selbst überlassenen Blumentöpfen meines Balkons? Es ruft. Dreimal. Einmal.

Eine zweite Krähe landet neben der ersten. Die ruft erneut. Dann höre ich die ganz andere Stimme der zweiten.

Sieben dreiundsechzig, sagt die Kassiererin. Ich schütte mir das Münzgeld in die Handfläche und überschlage meine Barschaft. Dreizehn dreizehn, sage ich, als ich ihr das abgezweigte Geld überreiche.

Sie nimmt es und starrt für Augenblicke ratlos auf die Summe. Dann tippt sie den Betrag auf den touchscreen und erfährt, dass ich 5.50 € retour bekomme. Ich denke, das freut sie. Sie legt mir den einen Schein und die eine Münze so vergnügt hin.

Ich war in Mathe wirklich nie eine Leuchte, denke ich beim Verlassen des Ladens, aber die Schwärmerei der 12-Jährigen für ihren Mathematiklehrer hat mir den Sinn für Brüche geschärft, für das Auf- und Abrunden, für das Ganze und seine Teile.