Ich überwinde mich, rauszugehen. Der Himmel ist dunkel und klar genug, um einige Sterne zu zeigen. An der Hauptstraße gesellt sich der Mond dazu. Der idiotensichere Anhaltspunkt der ganzen Unternehmung erscheint ein wenig diesig. Völlig unklar, ob ich Erfolg haben werde. In der Absicht, die beiden Gestirne aus einem Blickwinkel zu bestaunen, der den Eindruck vermitteln kann, sie berührten einander, steige ich unerschrocken den vom Mondlicht erhellten Weg hinan.
Auf dem Plateau haben sich weniger Sterngucker versammelt als erwartet. Die ersten beiden, die ich frage, ob sie was sehen, verneinen. Sie schauen auch in die falsche Richtung, wie ich schnell begreife, indem ich einem über die Schulter schaue, der die Konjunktion mithilfe einer App aufzuspüren sucht, um sie seiner Freundin zu zeigen. Die Aussichten sind schlecht.
Ein Stück vom Pulk entfernt sehe ich einen neben seinem Stativ stehen, den ich im Vorübergehen frage, ob man was sehen kann. Schon vorbei, sagt er, sind schon untergegangen. Der zahnlose Alte ist kaum zu verstehen. Hier bin ich auf jeden Fall richtig.
Wir stehen etwas unschlüssig zusammen. Ob ich mal durchschauen will, bedeutet er mir mit einer Kopfbewegung. Mit einem Auge sehe ich den halben Mond so nah wie nie zuvor. Mir ist, als könnte ich mit der Fingerspitze über den runden Körper fahren und auf der kreidigen Haut eine Spur hinterlassen. Mondbuchstaben schreiben.
Ein Vater kommt mit seiner Tochter vorbei. Auch sie folgen der Einladung, den Mond mit einem Auge zu betrachten. Auf dem Display seines Smartphones zeigt der zahnlose Alte ein Bild herum, das die beiden Gestirne nah beisammen zeigt. Wie zwei Augen. Eines heller als das andere. Aufgenommen um 17 Uhr. Mit dem Smartphone durchs Objektiv, gute Idee, nickt anerkennend der samt Kamera und Stativ neu hinzugekommene Sterngucker.
Wenn die Sonne verschwindet, ändert sich die Atmosphäre, sagt er. Schleierwolken ziehen auf. Mars ist noch gut zu sehen. Mars? Das da ist Mars? Das rötlich scheinende Gestirn war die ganze Zeit über mit bloßem Auge zu erkennen. Ich kann zusehen, wie der Mond langsam von ihm abrückt.